Schluss mit dem Versteckspiel #freeyourlegs

by - 25.7.21


Jedes Jahr gibt es eine Zeit in der ich meine Beine abgrundtief hasse. Es ist als würde ich eine Kraterlandschaft freilegen, die ganzen Unperfektheiten ans Licht bringen und dann dazu noch diese Blässe, die sich einfach nicht in Bräune umwandeln lässt - egal wie viele Wochen ich auch versuche in der Sonne zu brutzeln. Es ist eigentlich schon seit meinem frühesten Kindesalter so gelaufen. Daher habe ich auch auf Röcke und Kleider in meinen jungen Jahren verzichtet, weil ich eben nicht diese elfenhafen grazilen Modelbeine habe. Schon immer hatte ich kräftige Stampfer gehabt und man selbst sieht das Ganze ja auch nochmal viel kritischer, sodass ich meine Beine als “Elefantenbeine” bezeichnete. Ich stehe mit meinen Beinen also auf dem Kriegspfad, geleitet von all den perfekt eingeölten und gephotoshopten Beinen auf den Laufstegen der Welt und in diversen Hochglanz Modemagazinen. “Es liegt in den Genen” hörte ich oft. Klar, das ist die Ausrede Nr. 1 - dachte ich zumindestens immer. Allerdings ist es mit einem schwachen Bindegewebe und dicken Krampfadern, was bei meiner Mutter und Schwester auch der Fall war, langsam nicht mehr bestreitbar, dass Gene eben doch etwas grundlegendes ausmachen. Etwas, was man nicht ändern kann.

Also was tun, wenn man Kleider und Röcke liebt, aber laut Modeindustrie nicht die richtigen Beine (kann es eigentlich auch unrichtige Beine geben) hat!? Lange habe ich mich in langen Jeanshosen versteckt. Selbst bei 30 Grad im Hochsommer kamen Kleider und Röcke nicht in Frage. Zu sehr schämte ich mich für meine Beine, die zu der Zeit allerdings noch ansehnlicher waren als jetzt aktuell. Ich schwitzte mir in so vielen Sommer Jahren (und dabei liebe ich den Sommer) regelrecht den Arsch ab. Lieber schwitzte ich mich zu Tode als meine Beine zu zeigen. So unfassbar groß war meine Scham.
Irgendwann fing ich aber an mir Kleider und Röcke zu kaufen, weil ich sie schön fand und besitzen wollte, zog sie aber meist nur zu Hause oder im Urlaub an, wo mich niemand kannte und es mir dann auch nicht so viel zu schaffen machte meine Beine zu zeigen. Und falls ich mich dann doch mal später traute zur Arbeit oder zu einer Feier in einem knielangen Kleid zu gehen, schminkte ich meine Beine mit viel Zeitaufwand mit Concealer und Foundation. Dann ging es zwar, fühlte mich aber nie so richtig wohl. Zudem war es nicht sehr angenehm und ich musste aufpassen wo in mich hinsetzte, um das Bein-Make-Up nicht zu verschmieren. Das alles um sich nicht zu sehr schämen zu müssen, was im Nachhinein einfach unnötig war. Man macht sich meist das Leben selbst schwer, aber der Druck von Social Media hatte auch mich gefangen genommen.

Zu sehr hat die Werbeindustrie mein Selbstbild in dieser Zeit beeinflusst und vielleicht auch viel zu viele Selbstzweifel gestreut. Um dieses Denken, diesen Perfektionismus und diese Erwartungen an mich selbst zu durchbrechen gingen viele Jahre ins Land. Zu viele für meinen Geschmack. Wie schön wären meine 20er Jahre gewesen mit Kleidern, Röcken und dem Selbstbewusstsein, welches ich mir in den letzten Jahren angeeignet habe. Wie einfach wäre es gewesen, sich mit den von der Werbeindustrie betitelnden Makeln zu akzeptieren? Damals erschien es mir unmöglich und ich weinte manchmal alleine im Bett, weil ich nicht weiter wusste. Doch irgendwann legte sich bei mir ein Schalter um. Ich hörte es förmlich klicken. Es brauchte eine lange Zeit und viele liebe Worte meines Freundes (jetzt Ehemann), damit ich durch den Schleier der Selbstzweifel erkennen konnte, dass meine Beine zwar nicht super schön sind, aber ok. Übersät von kleinen Besenreisern, zeitweise dicken Krampfadern, Cellulite und auch lästigen Rasierpickelchen habe ich dann doch den Mut gefunden das zu tragen was ich schon immer wollte: Kleider und Röcke. An manchen Tagen ist es immer noch schwer, aber das ist ok. Denn ich bin ok und manchmal reicht das auch voll und ganz.

Es ist egal was andere über dich denken. Hauptsache du selbst denkst gut über dich. Denn unsere Gedanken formen unsere Gefühle. Sie formen unsere Realität. Und die Realität bist du. Das Leben ist zu kurz, um sich Gedanken darüber zu machen, was du tragen kannst und was nicht. Trag es einfach und genieße das Leben!

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