MIT KOPFSPRUNG IN DIE 30

by - 5.8.19


Passender könnte der Titel dieses Artikels nicht sein. Ich hasse Kopfsprünge und schwimmen konnte ich nie besonders gut. Ein unangenehmer Titel also für ein ziemlich schwieriges Thema. Ein Kopfsprung bedeutet immer ein Sprung ins Ungewisse, was für einen Großteil für uns doch ziemlich beängstigend erscheint. 30 - eine Zahl bzw. ein Alter das ich mir mich ganz anders vorgestellt habe. Ich dachte mit 30 werde ich alles erreicht haben. Ich wäre schon lange verheiratet, Kinder, Haus, Hund und einen Job mit dem ich zufrieden wäre. Doch jetzt sitze ich hier und muss mir eingestehen, dass nichts von alledem eingetreten ist. Verheiratet bin ich noch nicht - jedoch verlobt - und bin seit einigen Jahren in einer Beziehung zu einem ganz wunderbaren Mann, der mich akzeptiert und liebt wie ich bin mit all meinen Fehlern und komischen Angewohnheiten. In den Jahren haben wir schon so einiges zusammen überstanden. Auch in diesem Punkt hatte ich mir meinen Zukünftigen anders vorgestellt mit Anfang 20. Da hat man sich noch nicht viele Gedanken um Charakterzüge gemacht, aber mit der Zeit lernt man auch in diesem Bereich worauf es wirklich ankommt und was wichtig ist: nämlich glücklich zu sein - Denn das ist unbezahlbar. In meinem Alter bekommt man für gewöhnlich auch Kinder. Das Thema Kinder ist schwierig und nicht in Planung - und das sage ich bzw. wir sagen das aus vollster Überzeugung, auch wenn mich viele Frauen in diesem Punkt einfach nicht verstehen können. Ich habe das Thema “Kinder kriegen” immer als völlig selbstverständlich angesehen. So, als würde es zum Leben und zur Ehe dazu gehören. Dass das nicht zwingend sein muss, habe ich erst in meinen späten 20ern erkannt als ich anfing aus dieser vorgefertigten Lebensblase auszubrechen. Diese innere Uhr,  die bei vielen anfängt zu ticken, höre ich nicht bei mir und verspüre auch nicht ein kleines bisschen das Verlangen Kinder zu haben, auch wenn ich schon viele sagen höre, dass wir dann etwas verpassen. Doch, warum muss man sein Glück in Kindern finden? Es gibt so viele andere (Lebens-)Wege zum ganz eigenen Glück. Auf der anderen Seite sichert man sich mit Kindern die Pflege, wenn man älter wird. Doch bis dahin gibt es noch schönere Einrichtungen, die sich dann darum kümmern werden. Also warum so besorgt sein!? Falls sich der Wunsch nach Kindern in 10 Jahren doch plötzlich auftun sollte, dann gibt es immer noch die Option der Adoption - zu der wir auch sehr offen stehen. Daher ist das Thema ausreichend diskutiert.

Das Grundgefühl ändert sich mit 30 Jahren auf jeden Fall nochmal komplett. Man erstellt unbewusst eine Zusammenfassung, ein Resumee von allem was man erreicht bzw. auch von dem was man (noch) nicht erreicht hat. Schlagartig wird einem klar, dass die unbeschwerte Experimentierphase, in der wir einfach noch nicht wussten was wir wirklich vom Leben wollen, irgendwann zu einem Ergebnis kommen muss. Ein Zwischenergebnis, welches auf unseren weiteren Lebensweg aufbaut. Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen und sind nicht mehr mit dem Studium beschäftigt, sondern stehen fest im Leben und müssen Entscheidungen treffen, die vorausschauend sind. Und obwohl wir mit 30 in der heutigen Gesellschaft keine Spätzünder mehr sind und keine klaren Strukturen, wie wir unser Leben zu gestalten haben, gibt es einem selbst doch zu denken. Wenn wir beispielsweise bis 30 oder Mitte 30 immer noch keinen Partner gefunden haben, dann werden wir nervös und bekommen Torschlusspanik. Das ist ein extrem wunder Punkt in unserer heutigen Zeit, denn meist sind wir so beschäftigt, dass wir überhaupt keine Zeit für einen Partner haben oder auch so sehr in ein digitales Leben verstrickt, dass wir den Kontakt zu anderen Menschen nicht mehr pflegen bzw. aufbauen können. Da kommen Dating Apps und Partnervermittlungen doch gerade wie gerufen. Man glaubt nicht, wie viele Menschen solche Apps und Portale nutzen, um einen geeigneten Partner oder einen vorübergehende Bekanntschaft zu finden. In meinem Freundeskreis sind tatsächlich einige bei Tinder oder Parship angemeldet. Die Gründe hierfür sind sicherlich unterschiedlich - nicht jeder sucht eine feste Partnerschaft.

Das Schlimme an der ganzen “ich bin jetzt 30”- Sache  ist, dass ich anfange mich mit anderen gleichaltrigen zu vergleichen. Egal ob es enge Freunde oder alte Schulkollegen sind, mit denen man noch einfach so bei Facebook “befreundet” ist. Die meisten sind (wieder) schwanger und haben dieses übliche “Mann-Haus-Kind-Hund-Leben” von dem ich dachte ich brauche es auch, aber so wollte ich eigentlich nie sein und so bin ich letztendlich bis heute auch (noch) nicht geworden. Und das ist auch ok. Wir können selbst entscheiden wie wir unser Leben gestalten und welche Dinge man tut oder eben auch sein lässt. Alles ist ok, wenn man mit sich selbst im Reinen ist. Aber wie wir Frauen so sind, sind wir selten mit uns komplett im Reinen. Das fängt schon äußerlich an. Hier eine Problemzone, da plötzlich eine Falte - und schon sind wir gefangen im Selbstzweifel. Eine Art Panik kommt auf, da wir erkennen, wie vergänglich doch alles ist und wir nie wieder aussehen werden wie mit 20. Unsere Jugend verblüht und wir denken, dass wir nicht mehr attraktiv sind. Doch das ist eigentlich falsch. Es ist nur ein anderer Lebensabschnitt und wir müssen uns klar werden, dass wir vielleicht nicht mehr genug Jugend ausstrahlen, um uns so zu kleiden wie die 10 letzten Jahre. Dieser Gedankenwechsel kommt bei vielen schleichend und unbemerkt automatisch, doch bei anderen, wie auch bei mir, ganz plötzlich. Wie ein Schlag ins Gesicht, welches gerade entweder mehr Sommersprossen hat oder doch schon Altersflecken!? Ich will es gar nicht wissen - vorerst. Denn eigentlich ist es nicht wichtig. Eigentlich. Doch auch hier ist der Druck sich solange wie möglich jung und attraktiv zu halten natürlich sehr groß. Von uns Frauen wird viel mehr erwartet als von unseren Müttern damals. Wir sind keine Hausfrauen mehr, die nur Kinder bekommen und erziehen. Ich selbst kann nicht gut kochen im Gegensatz zu meinem Verlobten und bin froh, wenn ich den Haushalt überhaupt mit Ach und Krach bewältigt bekomme, neben meinem Job und Hobbies. Oft herrscht bei mir ein kreatives Chaos, das schon immer bestand, in sekundenschnelle entsteht und sich unkontrolliert ausbreitet, wenn ich nicht die Notbremse ziehe. Und doch sehe ich das Ganze etwas gelassener als noch vor einigen Jahren. Ich habe in meinen 20er Jahren Fehler gemacht, Enttäuschungen erlebt bei denen ich dachte ich würde sie nicht überstehen und bin daraus letztendlich gestärkt heraus getreten. Die Erfahrungen, die man gemacht hat, formen den Charakter und man verändert sich und sieht viele Dinge später etwas anders. Ich hatte immer Angst davor 30 zu werden, doch ich bin jetzt in wenigen Monaten dann noch ein Jahr älter und muss sagen, dass die Welt davon nicht untergeht und das eigene Leben auch weiter läuft mit dem Unterschied, dass man Veränderungen spürt und einfach zulassen muss, weil wir einfach frei sind und die Wahl haben. Wir sind alles Powerfrauen auf unsere ganz eigene Art und Weise, die die Zügel selbst in der Hand halten und bestimmen. Wir müssen nicht heiraten, um glücklich zu sein, denn ein Ehering ist kein zuverlässiges Versprechen mehr, denn viele verlieren den Kampf um die Liebe. Es ist nicht einfach in der heutigen Zeit eine aufrichtige Liebe aufzubauen, aber solange man an dem gleichen Strang zieht, kann die Liebe alles schaffen, wenn man daran arbeitet. Daran glaube ich mit einer Portion Naivität, die ich mir erhalten habe. Das Leben kann so viel bereit halten, wenn man die Augen öffnet. Und mit 30 ist noch lange nicht Schluss. Ich möchte noch mehr Reisen, endlich ins Disneyland, öfter raus aus der Komfortzone, noch mehr sehen von dieser Welt und die Möglichkeiten ergreifen, die mir offen stehen, Risiken eingehen ohne Angst zu haben zu tief zu fallen. Eben diesen mutigen Kopfsprung wagen, der mir so lange den Weg ins wahre Leben versperrte. 

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2 Kommentare

  1. Wow das ist echt ein toller Text! Ich wusste auch gar nicht, dass du 30 bist bzw. geworden bist - du siehst viel jünger aus! Deine Einstellung zu Kindern ist bemerkenswert, denn ich glaube, dass viele immer meinen, der einzige Weg glücklich zu werden, wäre Kinder zu bekommen.
    Ich bin mir sicher, dass du deinen ganz eigenen Weg gehen wirst <3
    Liebste Grüße
    Lara

    www.verylara.com

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    1. Liebe Lara,
      vielen Dank zunächst für dein lieben Kommentar und auch für dein Verständnis zu dem schwierigen Thema.

      Liebe Grüße
      Anne

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