Das schmutzige Geschäft der Fast Fashion

by - 9.5.21


Ein Begriff, der einem seit geraumer Zeit in den Ohren liegt ist “Fast Fashion”. Kaum darüber nachgedacht wird er unter “nicht so gut” in einer unserer Gedächtnis Schubladen abgelegt. Entweder weil man nicht mehr darüber erfahren möchte, weil es vielleicht unangenehm werden könnte oder einfach, weil es einem total egal ist, denn man selbst trägt keine Schäden davon. Jedenfalls keine unmittelbar bevorstehenden. Allerdings sollten wir alle uns darüber im Klaren sein, was wir mit unserem Verhalten anrichten. Es ist nur Kleidung, aber es steht so viel mehr noch dahinter. Die Modebranche ist ein hartes Pflaster, die Fast Fashion Industrie aber ist einfach nur skrupellos. Daher möchte ich den ein oder anderen für ein wichtiges Thema sensibilisieren, um verantwortungsbewusst zu handeln. Für sich selbst und für andere.

DIE FAST FASHION STRATEGIE
Aber fangen wir einfach mal ganz vorne an und klären auf was Fast Fashion eigentlich genau ist. Fast Fashion, zu deutsch “schnelle Mode” ist eine Geschäftsstrategie, die es bereits seit den 80er Jahren gibt. Damals hieß es noch “Quick Response”, also ein Beschleunigter Austausch von Informationen und Ware. Dadurch hatte man auch eine schnellere Reaktionszeit auf kurzfristige Veränderungen und Trends, die in den 90er Jahren stetig wuchs bis um die 00er Jahre das höchstmögliche Tempo erreicht wurde. Der gesamte Design und - Produktionsablauf, sowie auch die Anlieferungen wurden erheblich beschleunigt, um viel mehr in kürzester Zeit auf dem Markt anbieten zu können. Hersteller wie H&M, Zara und Primark wurden zum Synonym für Fast Fashion.

Fast Fashion ist daher auch einfach zu erklären. Kurz handelt es sich um extrem billig hergestellte, Trend bezogene Kleidung, deren Qualität genauso niedrig ist wie der Preis für den sie gekauft wird. Daher ist die Lebensdauer von Fast Fashion auch besonders gering. Meist hält ein Teil nur wenige Wäschen bevor es erst die Form verliert und das Material langsam unschön wird. Die Teile werden dann schnell entsorgt und sich einfach wieder ein neues Billigteil gekauft bis es dann wieder untragbar wird. Eine Verschwendung und ein extrem schnelles Konsumverhalten liegt bei den Fast Fashion Herstellern im Fokus.
Die Auswahl ist immens gewachsen und die absoluten Niedrigpreise erreicht. Ein immer schneller wechselndes Sortiment gibt dazu noch die passenden Kaufimpulse für den Endverbraucher. Bei einigen Marken, wechselt jede Woche alles, damit ein maximaler Kaufreiz entsteht. Die Folge: Der Kunde kauft mehr als nötig ist. Somit wird Mode mehrmals jährlich zur austauschbaren Wegwerf-Ware.
WO UND WIE PRODUZIERT WIRD
Je mehr gekauft wird desto besser die Umsatzsteigerung für das Unternehmen. Denn darum geht es doch letztendlich. Die Herstellung der Billigmode erfolgt in anderen Ländern, denn in Deutschland und vielen anderen westlichen Ländern haben die Arbeiter*innen nämlich Rechte: Mindestlöhne, Kündigungsfristen oder Urlaubstage, um nur einige zu nennen. Es gibt aber auch Länder wo die Arbeiter*innen kaum bis keine Rechte haben und genau dort wird dann produziert. Die Ausbeutung von Textilnäher*innen ist in Entwicklungsländern nichts Neues. Neben der schlechten Bezahlung und des fehlendes Arbeitsschutzes verursacht besonders der hohe Zeit- und Preisdruck in der Fast Fashion Industrie unwürdige Arbeitsbedingungen. Die Marken stehen in einem gesättigten Markt untereinander in einem starken Wettbewerb. Die Preise der Herstellung werden oft gedrückt, was dann die Textilnäher*innen zu spüren bekommen, indem Überstunden nicht bezahlt werden und eine Lebenssicherung kaum mehr möglich ist. 

Durch die günstige Herstellung in Bangladesch, Vietnam oder Türkei ist das ganze auf eine Gewinnmaximierung ausgelegt. Der einzige Gewinner von Fast Fashion sind die Unternehmen selbst.
Allerdings lassen nicht nur Fast Fashion Modeketten so produzieren. Auch einige höherpreisige (Luxus-)Marken lassen ihre Kleidung in solchen Fabriken produzieren. Ob das zu anderen Arbeitsbedingungen geschieht ist fraglich. Die Transparenz ist bei vielen Marken nicht gegeben, sodass man selten weiß unter welchen Bedingungen das Kleidungsstück hergestellt wurde. Selbst ein “Made in Italy” steht nicht mehr für ausnahmslos gute italienische Qualität. Denn auch dort gibt es kleine Fabriken mit Textilarbeiter*innen,  aus Entwicklungsländern importiert, die dort vor Ort direkt am 2 qm großen Arbeitsplatz arbeiten, essen und schlafen. Also eine Verlagerung des Standortes.  Das war am Rande von Florenz im März 2013 als ich wegen eines Auftrages für eine Woche dort war und mit eigenen Augen die Situation gesehen habe.
Natürlich lassen nicht alle Unternehmen so produzieren, aber bei den Fast Fashion Marken kann man mit Sicherheit sagen, dass sie genauso unter diesen abscheulichen Bedingungen produzieren, um unseren verschwenderischen Konsum zu stillen. Und das ohne jegliches Gewissen.


DIE ABSEHBAREN AUSWIRKUNGEN AUF MENSCH UND UMWELT
Nicht nur die Menschen müssen unter der Fast Fashion leiden, sondern auch für die Umwelt hat sie negative Auswirkungen. Allein der reine Transport von den Fabriken bis in die Filialen verursacht über eine Milliarde Tonnen an CO2. Das ist mehr als der gesamte Flug- und Schiffsverkehr zusammen und steigt stetig. Zudem werden jedes Jahr 120 Milliarden (Stand April 2021) neue Kleidungsstücke hergestellt von denen ca. 86% wieder als Abfall in Mülldeponien landen, weil sie nicht verkauft wurden. Diese Überproduktion von Bekleidung zeigt ein maßloses Fehlverhalten der Fast Fashion Industrie auf und die Entsorgung dieser passiert meist nicht auf die umweltfreundlichste Art und Weise. In Verbrennungsanlagen werden die synthetische Kleidungsstücke beseitigt, denn synthetische Stoffe (wie Polyester, Polyamid, Acryl) sind nur schwer bis gar nicht zu recyceln, weil die Fasern sich nicht zur Herstellung von neuer Kleidung eignen. Kunstfasern wie Polyester findet man in den Fast Fashion Kollektionen sehr häufig. Der Grund dafür ist schlichtweg der unschlagbar niedrige Preis. Die Verwendung von billigen und teilweise giftigen Textilstoffen macht die Modeindustrie weltweit zum zweitgrößten Verschmutzer von sauberem Wasser nach der Landwirtschaft.
Denn allein der Wasserverbrauch eines Baumwoll-T-Shirts liegt in der Herstellung bei 15000 Liter/ Kilo und bei einer einzigen Jeans ca. 8000 Liter. Die Verwendung von billigen Farbstoffen und Bleichmittel schädigen dazu nicht nur die Umwelt, sondern können zu gesundheitlichen Schäden der Textilarbeiter*innen führen.
Billige Kleidung besteht zu einem Hauptteil - wie bereits erwähnt - aus Kunstfasern. Das mag sich im ersten Moment nicht bedrohlich anhören, ist aber bei jedem Waschgang zu Hause auch umweltschädlich. Dabei fallen nämlich mikroskopisch kleine Elemente (=Mikroplastik) ab, die dann in den Wasserkreislauf gelangen und den Plastikanteil in den Ozeanen erhöhen. Auch Sport- und Outdoorbekleidung werden meist mit giftigen Chemikalien beschichtet. Dessen sind wir uns meist nicht bewusst.

Trotz der zunehmenden Kritik an der  Fast Fashion Industrie wird diese dabei immer schneller. In Zahlen kann man sich das so vorstellen: Zwischen 2000 und 2016 ist die Anzahl der gekauften Kleidungsstücke pro Jahr auf satte 60% gestiegen. Allerdings werden die Kleidungsstücke nur noch halb so lange getragen (weil sie ja auch nicht lange halten), wie vor 15 Jahren. Das heißt im Klartext, dass immer wieder Billigmode gekauft wird, um diese dann nach kurzer Zeit wieder zu entsorgen und durch neue Billigmode zu ersetzen.
Und trotzdem hat die verschwenderische gewinnbringende Billigmode bereits bei vielen Marken ihren Platz gefunden. Mittlerweile bringt Zara übrigens pro Jahr 24 Kollektionen raus, bei H&M sind es immerhin “nur” 12-16.
Alleine dieser Produktionswahn ist an diesen zwei Moderiesen doch sehr erschreckend zu beobachten. Der spanische Modekonzern Inditex (dazu gehören unter anderem Zara, Bershka, Pull & Bear, Stradivarius ) war 2018 der Spitzenreiter mit über 26 Milliarden Euro Umsatz. 
Der Fast Fashion Gigant plant sogar noch weiter und geht auf die Kritik der verschiedenen Umweltbewegungen so vor, dass es jetzt nachhaltige Kollektionsteile gibt: Zum gleichen Preis und mit einem “Join Life” Etikett versehen, welches die (mögliche) Nachhaltigkeit des Produkts versprechen soll. Inwiefern das auch so ist ist nur schwer zu sagen. Aber auch andere Unternehmen wie H&M mit der “Conscious” Collection zieht nach. Greenwashing ist der neue Trend vieler Fast Fashion Unternehmen und genau das wird genutzt, um den Menschen beim Kauf dieser Teile ein gutes Gefühl zu geben, selbst unter falschen Voraussetzungen.

DIE FRAGE HIERBEI IST, WAS KANN MAN SELBST TUN?
Nach all den erschreckenden Fakten ändert sich bei vielen die Sichtweise auf den Konsum von Fast Fashion Marken. Meiner Ansicht nach ist es schwer sich komplett frei von Fast Fashion zu machen. Gerade weil man jetzt erst sieht welche Marken überhaupt dazu zählen. Ein erster Lösungsansatz ist es, sich des eigenen Konsumverhaltens klar zu sein und sorgsamer mit Kleidung umzugehen. Die Frage “Brauche ich das wirklich und finde ich das Teil so überwältigend” können erste Schritte in die richtige Richtung sein. Denn oft werden wir häufig durch soziale Medien beeinflusst und zu Käufen animiert, obwohl wir eigentlich das Teil nicht wirklich wollen, sondern nur “dazugehören” wollen. Und da liegt ein wirklich tiefgehendes Problem - gerade bei sehr jungen Frauen! Daher gibt es jetzt ein paar Alternativen, die man super umsetzen kann, wenn man der Fast Fashion Industrie entsagen möchte.


SLOW FASHION KAUFEN: Einige wenige Unternehmen haben zur Fast Fashion einen Gegenentwurf entwickelt. Slow Fashion konzentriert sich auf 2 Kollektionen pro Jahr (Frühling/Sommer + Herbst/Winter) und achtet bei den Materialien auf Naturfasern wie Baumwolle oder Leinen. Das Ziel ist es länger haltbare Kleidung zu produzieren, mit hohen Qualitätsansprüchen und zu fairen Arbeitsbedingungen. Für solche Kleidungsstücke muss man meist mehr Cash hinlegen, was sich aber in der Qualität und der Lebensdauer des Kleidungsstückes widerspiegelt. Eine Investition für einen 60 Euro Pullover einer Slow Fashion Marke ist deutlich besser als 3 Billig Pullover aus dem schnellem Handel, die dann sowieso nicht lange halten. Auch wenn man regional kauft ist das super! Zwar gibt es wenig Marken in Deutschland die fair produzieren, aber eine Marke möchte ich hier besonders erwähnen: Alina Klemm. Da kann ich zu 100% sagen, dass es sich um eine nachhaltige und faire Designermarke handelt! Vom Design über den Schnitt bis hin zur Produktion wird alles in Hamburg gemacht!

SECONDHAND/ VINTAGE KAUFEN: Gerade in den letzten Jahren haben Secondhandshop einen wahrhaften Boom erlebt. Auch Vintage Shop reihen sich da mit ein und die Nachfrage nach origineller und einzigartiger Kleidung steigt. Beliebte Second Hand Plattformen sind beispielsweise Vinted oder auch Mädchenflohmarkt. Dadurch bekommen Kleidungsstücke eine längere Lebensdauer und man kauft nichts neues, sondern etwas was schon da ist. Shops wie Vino Kilo, Videdressing oder Vite-envogue bieten eine große Auswahl an schöner Vintage Kleidung von zahlreichen (Designer-)Marken.


UPCYCLING: Wer etwas begabt ist und mit einer Nähmaschine umgehen kann, kann aus alten Teilen neue Kleidungsstücke kreieren. Ich habe mir selbst aus vielen Teilen meiner Mutter (teilweise aus den 80er Jahren) ganz süße Tops und Kleidchen genäht. Sowie aus kaputten Jeanshosen einfach eine Shorts oder ein Jeansrock gemacht wurde. Kreativität ist dabei alles!

Das gleich gilt dann auch für das Reparieren von Kleidung. Wer nicht selbst nähen kann, kann für wenig Geld die Lieblingsjeans beim Schneider reparieren lassen. Es muss nicht alles gleich weggeschmissen werden.

AUSLEIHEN: Ganz innovativ sind Shops, die Kleidung ausleihen. In den USA ist das schon eine verbreitete Variante, die es nach langer Zeit auch nach Deutschland geschafft hat. Was man früher mit der besten Freundin gemacht hat, bieten jetzt Onlineshops an. Besonders, wenn ein Event oder ein wichtiges Bewerbungsgespräch ansteht, ist so etwas äußerst praktisch. Denn wie oft werden solche Teile nur für einen Tag gekauft und danach nie wieder angezogen? Richtig - kennt jeder!


Es ist also gar nicht so schwierig. Wir alle können einen Teil dazu beitragen, dass ein stetiger Wandel in der Modeindustrie stattfindet. Dabei müssen wir bei uns selbst anfangen. Wir müssen begreifen, das Fast Fashion einen falschen Ansatzpunkt verfolgt unter dem nicht nur die Umwelt, die Textilarbeiter*innen, sondern im Endeffekt auch wir selbst darunter leiden (werden). In Zeiten von Fridays for Future und weiteren Klima- und Umweltbewegungen könnte die Fast Fashion Ära vielleicht ein Ende finden. Bis dahin setzt ein Zeichen und schaut was ihr da genau kauft und braucht.

Nur wenn Kleidung wieder einen Wert bekommt lässt sich der Modewahnsinn stoppen und der ökologische Kollaps durch Fast Fashion verhindern.






Quellen: 
https://www.modelexikon.com/fast-fashion.php
https://de.wikipedia.org/wiki/Fast_Fashion 
https://nachhaltige-kleidung.de/news/fast-fashion-definition-ursachen-statistiken-folgen-und-loesungsansaetze/ 
https://de.contrado.com/blog/was-ist-fast-fashion/
https://www.welt.de/wirtschaft/article217662250/Asos-Boohoo-und-Co-Der-Turbomodekonsum-der-Generation-Z.html
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-die-fast-fashion-luege-100.html https://www.zdf.de/dokumentation/planet-e/planet-e-fast-fashion---die-folgen-des-modewahnsinns-100.html 
https://www.ci-romero.de/kritischer-konsum/produkte/kleidung/fast-fashion/

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